Büchels Moschee in Venedig

Ich war an der Eröffnung von Christoph Büchels Kunstprojekt in Venedig dabei. Der Island-Schweizer liess an der Biennale die Muslime in einer umgenutzten katholischen Kirche beten. Bis die Stadt das Gebäude schloss. Nach den starken, intensiv positiven Emotionen der Eröffnung, die zu einer wunderbaren Versöhnungsfeier der Religionen wurde – unverständlich und dumm.

Also doch. Am Freitag schlossen die venezianischen Stadtbehörden die Installation «The Mosque» des Schweizer Künstlers Christoph Büchel. Nach zwei Wochen der Diskussionen, der Anzeigen und der darauf folgenden staatlichen Kontrollen teilte die Stadtverwaltung von Venedig den Verantwortlichen des isländischen Pavillons und der Biennale mit, dass die Genehmigungen zurückgenommen worden seien. Die Gebetswilligen erhielten keinen Einlass mehr.

Der Fall ist interessant. Es geht um den Umgang mit Religion und um unsere Bereitschaft, die liberalen Tendenzen des Islam zu stärken. Eine politische Kunst hatte der Biennale-Leiter Okwui Enwezor gefordert. Und «The Mosque» löste diese Forderung besser ein als die beiden Hauptausstellungen der Biennale. Die Projekte des in Island lebenden Schweizers zielen immer in die Mitte ­einer schwelenden sozialen Unruhe. In Venedig, der traditionellen Pforte zum Orient, sind die islamischen Kultur­einflüsse überall anzutreffen. Trotzdem gab es im historischen Zentrum der Stadt nie eine funktionierende ­Moschee.

Ein Lager wird zur Moschee

Diese zu finden, war eine Aufgabe nach Büchels Gusto. Nur – und das ist der provokative Teil seines Beitrags –, er richtete diese Kunst-Moschee in einer katholischen Kirche ein, in der Santa Maria della Misericordia de L’Abazia, die er nach langer Suche fand. Die Kirche wurde Anfang der 70er-Jahre privatisiert und desakralisiert (die Gegner behaupten zwar, der Akt der Desakralisierung habe nicht stattgefunden, doch die Isländer haben Belege). Die ehemalige Kirche wurde bisher als Lagerraum gebraucht und kann gemietet werden.

Büchel stattete die Kirche als Moschee aus, mit Teppich samt aufgemalten Gebetsnischen, orientalischem Lüster, Koransprüchen über den Türen, einer Mihrab-Nische, welche die Gebetsrichtung anzeigt, und einem LED-Display mit aktuellen Gebetsstunden. Die Eröffnung am 8. Mai geriet zu einer herzerwärmenden Feier der Verbrüderung. Mohammed Amin al-Ahdab, ein Architekt und Präsident der islamischen Gemeinde Venedigs, dankte in einer Rede für die «Magie der Kunst», welche die «Herzen der Muslime» erleuchte. Manche Männer beteten vom ersten ­Moment an. Frauen fühlten sich auf ihrer Empore wohl, Kinder kreischten. Das Kunstvolk zog folgsam die Schuhe aus. Trotzdem: Die Proteste begannen sofort nach der Eröffnung und kulminierten in einer Anzeige, die der venezianische Kunsthistoriker Alessandro Tamborini erstattete. Er weigerte sich, beim Besuch seine Schuhe auszuziehen: Da dies ein Pavillon der Biennale sei, könne es sich nicht um einen Kultort handeln.

Also schloss die Stadtverwaltung um der Ruhe willen jetzt die «Mosque». Unter dem formalistischen Vorwand, dass die Maximalzahl von Besuchern überschritten wurde. Das befriedigt nun aber weder die Gegner, die ein Exempel statuieren wollten, noch die Organisatoren, die auf eine offene Diskussion über den Umgang mit den Grundrechten der islamischen Minderheit in Italien hofften. Denn nach der Schliessung regt sich auch in Kunstkreisen Kritik.

Kritik an Büchel

Büchel spiele mit dem Feuer, heisst es, er provoziere eine mediale Schlammschlacht, die auch islamische Fanatiker alarmieren könnte. Indem er darauf ­bestehe, seine Aktion in einer Kirche zu ­inszenieren, riskiere er verletzende ­Bemerkungen und befeuere eine Hetze gegen just die Menschen, bei deren ­Integration er helfen wollte.

Dass «The Mosque» dennoch ein Projekt ist, das die liberalen Tendenzen des Islams stärkt, zeigte sich deutlich an der Eröffnungsfeier. Es ist doch immerhin erstaunlich, dass die islamische Gemeinde Venedigs sich dem Biennale-«Tross» vorbehaltlos geöffnet und die zwar wohlmeinenden, aber schrillen Kunstliebhaber aus aller Welt in ihrer Mitte mit offenen Armen empfangen hat. Wem übrigens die Vermischung von Kunst und Religion nicht ganz geheuer vorkommt, kann einen Abstecher in eine der vielen anderen Kirchen der Stadt machen. Dort werden die grössten Werke der abendländischen Kunst von Touristenmassen bestaunt, während ­venezianische Omas inbrünstig beten.

Publiziert im Tages Anzeiger am 27. Mai 2015

About Ewa Hess

Swiss journalist, Editor Arts @Sonntagszeitung, Zürich

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