Der Kunstmarkt folgt seiner Vorliebe für das Schattenspiel in den «Private Sales»-Sektor. Warum? Ist wohl nicht schwer nachzuvollziehen, um Regulierungsbestrebungen auszuweichen. Mein Artikel in der Sonntagszeitung dazu:
Hat sie oder hat sie nicht? Auf Wirtschaftsportalen und in Kunstzeitschriften wird gemunkelt, eine «gut informierte Person» soll es einem «Marktinsider» erzählt haben, und die Experten halten es für «durchaus wahrscheinlich».
Das Gerücht: Die US-Entertainerin Oprah Winfrey soll ihren Klimt verkauft haben. Für 150 Millionen Dollar. Nach China. Die Sammler dort sind gerade wild auf Klimt. Und Winfreys Bild ist nicht irgendein Klimt, sondern das Schwesterbild zur berühmten «Woman in Gold», auch ein Porträt der Wiener Industriellengattin Adele Bloch-Bauer, zwar ohne Gold, dafür mit dekorativer Hutkrempe.
Gekauft, das steht fest, hat die TV-Frau das Bild 2006 für 87,6 Millionen Dollar an einer Auktion von Christie’s. Das ist Allgemeinwissen, denn die Auktionen finden nicht hinter verschlossenen Türen statt. Was vielen Teilnehmern des boomenden Markts gar nicht in den Kram passt.
Die schlagzeilensichernden Preis-Rekordmeldungen, bis jetzt ein probates Werbemittel der grossen Auktionshäuser, kommen deshalb aus der Mode. Die neusten Zahlen zeigen: 70 Prozent aller Kunsthandänderungen finden in sogenannten Private Sales statt. Das geht aus dem jährlich erscheinenden Marktreport hervor, der von der Maastrichter Kunstmesse Tefaf erhoben wird und am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Drastischer Einbruch im eigentlichen Auktionsgeschäft
Anders als eine öffentliche Auktion wird ein Private Sale abseits des Rampenlichts abgewickelt. «Flexibilität, Direktheit und Diskretion» seien die Werte, denen sich ihre Private-Sale-Abteilung verschrieben habe, wirbt etwa das Auktionshaus Sotheby’s auf seiner Website.
Spezialisten des Hauses besorgen die Expertise, überwachen die Verträge und bürgen für eine ordentliche Abwicklung. Dass sie die passenden Käufer (bzw. Verkäufer, wenn jemand eine Ergänzung seiner Sammlung sucht) kennen und auftreiben, gehört zum Service dazu. Der allerdings nur für Objekte im Wert von mehr als 100 000 Dollar angeboten wird.
Wichtige Marktplayer haben sich nach und nach aus den Auktionshäusern in ihre eigenen Kunstmarktboutiquen verabschiedet, wie etwa der prominente Schweizer Auktionator Simon de Pury, der 2013 Phillips verliess und mit seiner Frau die Firma De Pury de Pury gründete. Oder jüngst Brett Gorvy, der beliebte Chairman der Post-War- und Contemporary-Abteilung bei Christie’s, der nach 23 erfolgreichen Jahren zur Schweizer Kunsthändlerin Dominique Lévy überlief und als Lévy Gorvy diskreter als zuvor weitermachte.
Alarmiert von einem Einbruch im eigentlichen Auktionsgeschäft (das 2016 laut der Londoner Firma Art Tactic im Bereich der zeitgenössischen Kunst um 33 Prozent kleiner ausfiel), vergrössern die etablierten Versteigerer nun ihre eigenen Private-Sales-Abteilungen und stellen auch kunstmarktfremde Spezialisten an, Sotheby’s etwa jüngst den Wallstreet-Banker David Schrader, der von J. P. Morgan Chase kommt.
Der Hauptvorteil des neuen Geschäftszweigs liegt auf der Hand: die Diskretion. Obwohl sämtliche Marktteilnehmer scheinheilig ihre Unschuld betonen und den Verdacht der Geldwäsche und des Steuerbetrugs weit von sich weisen, bleibt das Kaufen und Verkaufen hochwertiger Kunstwerke jene letzte Oase der Geheimnistuerei, die bei dem Katz- und-Maus-Spiel mit dem Fiskus den nötigen Rechtsschatten bieten kann.
Rachel Pownall, die neue Autorin des Tefaf-Reports, unternahm mit ausgeklügelten Statistiken und Befragungen eine neue Anstrengung, um den Anteil der Privattransaktionen am gesamten Volumen des Markts zu beziffern. Doch selbst sie gibt in ihrem Vorwort zu, dass viele der Verkäufe spurlos in Steuerverstecken und Offshore-Konstrukten verschwinden, während die Werke in einem Freilager schlummern.
© SonntagsZeitung, erschienen am 12.3. 2017