Blue Chip Schweizer Kunst

Schweizer Künstler kassieren Milliarden! schreit das Titelblatt der «Weltwoche». Und man merkt es schon am Ton, eigentlich halten es die Kollegen für eine ganz verwerfliche Sache. Die Missetäter werden nicht geschont, sondern mit einer Art Fahndungsfoto vorgeführt: Man sieht Pipilotti Rists blauen Blick, Melinda Nadj Abonjis Lach-Grübchen und Thomas Hirschhorns fragende Augen hinter der dicken Hornbrille. Peter Fischli und David Weiss sind sogar in Schwarzweiss abgebildet, mit einem ganz alten Foto. Man kennt das ja von den Terroristen – sie dulden keine Kameras in ihrer Nähe.

Was das eigentliche Verbrechen der auf der Frontseite vorgeführten Kulturtäter ist, wird im Artikel schnell klar: sie sind international erfolgreich. Und dennoch bekommen sie in der Schweiz auch Anerkennung. Welch ein Skandal! Nehmen wir zum Beispiel die Schriftstellerin Melinda Nadj Abonji. Hätte ihr die Stadt Zürich 2004 die Gabe von 830 Franken monatlich nicht ein Jahr lang in den Rachen gestopft, hätte diese Abzockerin wohl nicht weiter- geschrieben und der Schweiz wäre die Schmach erspart geblieben, eine ihrer Schriftstellerinnen 25 000 Euro Buchpreisgeld von den Deutschen kassieren zu sehen.

Nein, ehrlich, was ist denn das für Logik? Liebe Kollegen von der «Weltwoche», darf ich Euch in Erinnerung rufen: Sozialfürsorge unterstützt die Bedürftigen. Kulturförderung aber die Begabten! Ihr werdet kein Land finden, wo das anders ist. Da könnt ihr noch so lange in den Steuererklärungen von Rist oder Fischli/Weiss schnüffeln. Dass ihre Kunst von allen wichtigsten Museen der Welt angekauft wird und an den Auktionen gute Resultate erzielt, ist für die Förderung ihrer Projekte keine Kontraindikation. Sondern ein Gütezeichen.

2,24 Milliarden fliessen in der Schweiz in die Kultur, das soll zu viel sein? Schliesslich gehen diese Gelder zumeist nicht auf die Konten der «Subventionsjäger», sondern in die weltweit hoch geschätzten Schweizer Museen, Theater und Opern. Liebe Kollegen, darf ich Euch erinnern? Eine Grossbank bekam über Nacht 6 Milliarden Fr. vom Staat, nur um ihre Managementfehler auszubügeln. Und wenn man sich auf der Welt so umhört, dann holen die von Euch verteufelten «Staatskünstler» auf dem freien Sympathiemarkt all die Punkte, welche die anderen Milliardenempfänger verspielen. Somit sind die zwei komma vierundzwanzig doch ein ganz anständig investiertes Geld.

«Wirtschaftslandschaft Davos» von Thomas Hirschhorn ab 29. 1. im Kunsthaus Aarau

«Sozial- Fürsorge unterstützt die Bedürftigen. Kultur- Förderung die Begabten!»

© SonntagsZeitung; 16.01.2011; Seite 46

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